Dienstag, 2. Juni 2015

Meine Begegnung mit der Stille

Es ist zu laut. Viel zu laut.

Aber ich kann den Lautstärkeregler meines Lebens nicht mehr finden. Abgebrochen vielleicht...krampfhaft versuche ich mich zu erinnern: "Wie ging das mit der Stille nochmal?" 
Doch keine Antwort, meine innere Stimme scheint verstummt zu sein. Zu oft ignoriert, verleugnet und in der Lautstärke untergegangen. "Noch so ne Diva", denke ich und mache mich gezwungenermaßen alleine auf die Suche. WAS suche ich denn überhaupt?
Denn eigentlich mag ich die Geschäftigkeit meines Lebens, habe sie mir ja auch bewusst ausgesucht und könnte sie selbstverständlich jederzeit selbst wieder entschleunigen. Doch das ist eine Lüge.

Längst dreht sich dieses Hamsterrrad nicht mehr in dieser Geschwindigkeit, weil ich es so will, sondern weil es eine erschreckende Eigendynamik angenommen hat. Natürlich denke ich hin und wieder darüber nach, wie ich dieses Rad anhalten kann. Doch sofort stapeln sich die Fragen in meinem Kopf: Willst und kannst du mit den Folgen leben? Bist du überhaupt gemacht für die "Entdeckung der Langsamkeit". Bedeutet weniger unter Strom zu stehen nicht auch weniger leistungsfähig zu sein? Und vor allem was für Konsequenzen hätte das für meinen Alltag?
Wenn ich mir also die Frage nach dem WAS nicht beantworten kann, vielleicht gelingt mir das mit der Frage nach dem WO.
Wo soll ich die Stille suchen? In mir selbst? Ich lache leise...nicht gerade der beste Ort. Tobt doch genau dort manchmal das größte Chaos, befindet sich dort das Auge des Sturms.
Bei ehrlicher Betrachtungsweise muss ich einräumen, dass ich noch nie der stille Typ war. Immer unter Strom, immer volle Ladung. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. 

Wobei...nein, das stimmt nicht ganz. Nachts bin ich so sehr ich selbst wie nur irgendmöglich, denn dann schafft es die Stille um mich herum die Lautstärke in mir zu dämpfen. Diese Stunden sind wie die Schnelladefunktion eines Akkus - reichen aus um mich wieder bereit zu machen, für das, was nach diesen Stunden und vielleicht noch nach ein paar Stunden Schlaf folgt. Und vielleicht verstehen Sie es, wenn ich Ihnen sage, dass mir genau diese Stunden zu wertvoll erscheinen, um sie zu verschlafen.

So wie jetzt in diesem Augenblick in absoluter Stille und Dunkelheit auf der Dachterrasse sitzen, die Nacht durch nichts erhellt, als die Sterne und das Display meines IPads. Der einzige Rhythmus das Tippen meiner Finger auf der Tastatur.
Ich schreibe und jeder einzene Buchstabe führt mich tiefer in mich hinein, ich öffne meine Musik App, klicke mich zu meinen Playlists durch und wähle die eine von ihnen aus, die für solche Momente wie gemacht ist. Noch ein Klick und erste, leise Töne erklingen. Sie lassen meinen Körper sofort weich und geschmeidig werden. Doch still in es noch immer nicht in mir. Ruhiger, aber eben nicht still.

Über die Jahre habe ich die Suche nach der Stille beinahe aufgegeben, mich damit abgefunden, dass sie und ich scheinbar nicht zusammenpassen.

Es klingt nach einem unversöhnlichen Ende, aber das ist es nicht. Denn ich habe sie doch noch gefunden, diese Stille: nicht in mir, nicht an einem bestimmten Ort, sondern in einem anderen Menschen.

Er lächelt, schließt mich in seine Arme, küsst mich, und es ist als wäre ich in die vollkommene Stille gefallen. Bodenlos, schwerelos. Ich atme ihn, so tief ich nur kann und denke in diesem Moment: "natürlich kann ich die Stille nirgends finden, wenn die ganze verdammte Stille in ihm ist."


1 Kommentar:

  1. Das ist wunderschön geschrieben. Auch wenn ich meine Stille und Langsamkeit schon lange gefunden habe, so hat mich dieser Text doch sehr berührt und erinnert mich gerade zur Zeit an diese magischen leisen Momente in lauen Sommernächten.

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