Donnerstag, 8. Januar 2015

Mit anderen Augen...

Ich liebe Museen, alleine schon wegen ihren schweren Türen, die die laute, geschäftige Außenwelt vom gewaltigen Pathos vergangener Tage trennen, der in solchen Räumen greifbar wird.
Fallen sie hinter einem ins Schloß, ist man vollkommen gefangen genommen von der ehrfürchtigen Stille, die die Sinne schärft, die einen augenblicklich ruhig werden lässt...

Zielsicher finde ich meinen Weg durch die Räumlichkeiten, vorbei an anderen Besuchern, wie an einem unsichtbaren Band geführt zieht es mich hin, immer wieder hin zum selben Ort in diesem Museum.
Dann stehe ich direkt davor und wieder einmal raubt mir das Bild für einen Moment den Atem. In gebührendem Abstand bleibe ich stehen, denn es ist ein Bild, dem man sich langsam nähern muss...es ist groß...beinahe gewaltig...und von einnehmender Schönheit.
Ich nähere mich Schritt für Schritt, langsam und bedächtig, um auch ja jede neu erscheinende Facette zuzulassen. Und wie jedesmal versuche ich mich so unvoreingenommen wie nur irgend möglich zu nähern, damit es mir seine ganz eigene Geschichte erzählen kann. Ohne dass ich bereits etwas darin sehe, ich lasse es für sich wirken, ganz ohne Interpretationsversuch, ganz ohne eigene Gedanken...

Das Bild verändert sich ständig, jede Tageszeit verändert es, es unterscheidet, ob Sonnenlicht durch die trüben Fenster fällt oder ob es draußen regnet..immer wirkt es anders.
Unzählige Male habe ich hier gestanden, doch noch immer habe ich nicht den Hauch einer Ahnung, wie viele Facetten es mir noch offenbaren wird.

Im Licht der Morgensonne ist es eher zurückhaltend in seiner Farbgebung, wirkt schwer. Doch mit zunehmendem Licht und manchmal scheint es mir, auch mit zunehmenden Besucherzahlen kristallisieren sich buntere Farbschattierungen heraus, die Textur wird sichtbar, die Leinwand darunter zeichnet sich ab.
Bei wieder schwindendem Abendlich vollzieht es den absolut wunderbarsten Wandel, dann strahlt es eine greifbare Ruhe aus, vollständig reduziert auf sich selbst. Das sind die Stunden, in denen ich es am meisten liebe, in denen ich so viel in ihm sehe, wie zu keiner anderen Zeit.
Nachts ist es nicht zugänglich, dann ist das Museum geschlossen...normalerweise
Sie halten mich sicherlich für verrückt, dass ich sogar soweit gehe den Nachtwächter regelmäßig zu bestechen, um es nachts ganz für mich alleine zu haben, um es im Mondlicht betrachten zu können und dem zu lauschen, was es dann von sich preisgibt...nur für mich.

Und neulich durfte ich es sogar für ein paar Sekunden mit meinen Fingerspitzen berühren, die Textur der Farbe fühlen, die raue Leinwand darunter, was ein erhabener Moment. Nicht nur sehen...auch fühlen dürfen.

Jetzt in diesem Wintertagen hoffe ich, dass es noch einmal schneit, denn ich habe das Bild noch nie gesehen, wenn Schnee vor den Fenstern lag, und sich die Sonne darin spiegelte. Ich bin bereit neue Facetten zu entdecken...mich überraschen zu lassen!!

Und jetzt am Ende dieser Geschichte lassen Sie einmal den Gedanken zu, dass dieses Bild kein Bild im tatsächlichen Sinne ist, sondern, dass es vielmehr die Seele eines Menschen beschreibt, dem wir begegnen, in meinem Fall ein ganz besonderer...

...und jetzt kehren Sie mit diesem Wissen noch einmal an den Anfang zurück und lesen Sie mit anderen Augen...

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